Das Jugendamt 2024 | Neues Personal fürs KJSG, Angebotssteuerung und digitale Transformation

Wie die neuen Aufgaben des KSJG in eine Personalbedarfsbemessung übersetzen?

Das KJSG ist da, und mit ihm zahlreiche neue Aufgaben. Dass hierfür neues Personal erforderlich ist, ist inzwischen deutlich. Die Entwicklung überzeugender Ansätze zur Personalbemessung steht jedoch noch aus. Die Landesjugendämter haben sich hier zurückgehalten. Gerne entwickelt werden zum Beispiel allgemeine Leitlinien zur Personalbedarfsbemessung (z. B. vom Landschaftsverband Rheinland). Aussagekräftige Kennzahlenempfehlungen bleiben sie aktuell jedoch – mit Verweis auf die heterogene Jugendhilfelandschaft – schuldig. Auch Standards und Prozesse, zum Beispiel für die Verfahrenslotsen im Rahmen der Eingliederungshilfe, müssen vielfach von den Kommunen vor Ort erst entwickelt werden.
Genaue Kenntnis der nach KJSG zu erfüllenden Aufgaben sowie eine sinnvolle Einbindung der neuen Aufgaben in das örtliche Helfersystem sind grundlegend bei der Bemessung. Kennzahlen zu bilden und Aufgaben genau zu bestimmen muss jedoch kein unmögliches Unterfangen werden.

Die Schritte zur Ermittlung des angemessenen Personalbedarfs sind mitunter standardisiert:
Zunächst gilt es, die zusätzlichen Arbeitsschritte genau zu identifizieren. Hier wird bereits deutlich, welcher Zeitaufwand sich konkret dahinter verbergen kann.
In einem zweiten Schritt gilt es zu klären, anhand welcher Fallzahlen die Aufgaben bemessen werden können. Zwar besteht natürlich die Versuchung, möglichst genau jeden einzelnen Arbeitsschritt mit einer eigenen Kennzahl zu versehen, allerdings lässt dies den Berechnungsaufwand ins Unermessliche steigen. Besser ist es, sich zum Beispiel die Frage zu stellen: Welche Kennzahlen sind auf einfache Weise zählbar? Fallzahlen? Gut, welche Arbeitsschritte hängen denn grundsätzlich von einer Fallzahl ab?

So lohnt es sich zum Beispiel häufig nicht, für die Bemessung von Beratungsaufgaben einzelne Telefonate oder Anzahl der dokumentierten Seiten zu zählen, sondern einen Durchschnittswert von „Aufwand je Fall“ zu schätzen.
Was nun bei Aufgaben, bei denen es keine Fallzahlen gibt, wie z. B. die institutionelle Beratung des Verfahrenslotsen §10b? Nun, ein Wunderrezept gibt es hier nicht. Allerdings natürlich zahlreiche Behelfsmöglichkeiten: Orientierung bietet die Personalausstattung in anderen Bereichen, z. B. in der Organisation/zur Umsetzung von Transformationsprojekten oder Vergleichswerte anderer Kommunen.

Angebotssteuerung – in einem zunehmend von freien Trägern der Jugendhilfe dominierten Markt? Wie soll das gehen?

Einrichtungsplätze sind in allen Bundesländern knapp. Tagessätze von um die 1000€ waren vor einigen Jahren eine Seltenheit – heute immer häufiger. Bei der Angebotssteuerung fühlen sich viele Jugendämter allein auf weiter Flur.
Der Eindruck trügt nicht: In einem Amt von vielfach mehreren hundert Mitarbeitenden kümmert sich oft nur eine Person um die Jugendhilfeplanung oder die Aushandlung von Entgelten. Aufgaben, die letztlich mehr an Wirtschaftsförderung oder eine Ausschreibungsstelle erinnern, sind hier oft völlig neu.

Zunächst gilt es jedoch auch hier eine Vorstellung über das aktuelle Angebot zu erhalten, z. B.

  1. Eine Analyse der Anbieterstruktur: Welche Angebote suchen wir konkret? Für welche Zielgruppe? Für welche Region? Für wie viele Fälle ungefähr (insbesondere: sollte hier ggf. eine interkommunale Kooperation angestrebt werden?) Welchen Tagessatz stellen wir uns intern vor, und gibt es besondere Konzepte, die wir als erfolgreich erleben?
  2. Eine Analyse der Optionen: Welche Träger gibt es, die ggf. bereit wären, ein neues Angebot in ihr Portfolio aufzunehmen? Können kleine Träger gefördert werden? Kann eine Leistung großflächig ausgeschrieben werden? Muss die Leistung ggf. selbst angeboten werden? Welche digitalen Möglichkeiten gibt es ggf.?
  3. Lernen im direkten Austausch: Im regelmäßigen Qualitätsdialog sollte der Bedarf konkret durch das Jugendamt angemeldet und diskutiert werden, konkret: Welche Bedingungen müssten für die aktuelle Trägerlandschaft gegeben sein, damit sie selbst ein solches Angebot vorhalten? Wie kann die Kommune auf andere Wege unterstützen?
  4. Gezieltes Ausschreiben von Leistungen: Als letzter Schritt können Leistungen immer noch ausgeschrieben werden. Viel zu häufig fürchten Jugendämter diesen Schritt – aus Sorge vor dem komplizierten Vergaberecht oder aus Sorge vor der Reaktion der ortsansässigen Träger. Bei aller Kooperationsbereitschaft sollte jedoch nicht vergessen werden: Das Jugendamt ist und bleibt Träger der örtlichen Jugendhilfe, d. h. berechtigt und verpflichtet für ein ausreichendes Angebot von Hilfen zu sorgen.

Der Lobgesang auf die digitale Transformation – ein hoffnungsloses Unterfangen?

Deutschland, gerade auch deutsche Kommunen, gelten immer wieder als Schlusslicht in Digitalisierungsthemen.Immer wieder ist die Rede davon: Jugendämter werden abgehängt. Ob dieser Zustand erst in Zukunft eintritt oder vielleicht längst schon seit vielen Jahren die Gegenwart bestimmt – darüber darf gestritten werden.
Was sind nun die Konsequenzen? Die Erkenntnis darüber, dass Digitalisierung ausbaufähig ist, hat in der Vergangenheit erstaunlich wenig zu deren Beschleunigung beigetragen. Die unmittelbare Zukunft wird vom systematischen Abbau der tatsächlichen Digitalisierungshürden bestimmt sein: Das „Ans-Laufen-Bringen“ der angeschafften Technik inklusive Einpflegen, Testen und Aktualisierung von Vorlagen und die Schulung der Mitarbeitenden.

Die in der Presse vielfach zitierten Hürden von „Datenschutz“ oder fehlende Hardware werden angegangen. Sie sind jedoch allenfalls langfristig zu lösen.
Aller Frustration, knappen Digitalisierungs- und Fortbildungsbudgets zum Trotz: Die Digitalisierung ist alternativlos. Und in Zeiten des Fachkräftemangels kein „I-Tüpfelchen“ mehr, sondern in vielen Jugendämtern bereits notwendige Basis, um das Tagesgeschäft am Laufen zu halten.

Der Jahresbeginn 2024 steht ganz in der Umsetzung des KJSG. Durch gemeinsame Anstrengungen und die kontinuierliche Entwicklung innovativer Lösungsansätze gilt es nun, die Jugendhilfe effizienter, zukunftsorientierter und adressatengerechter zu gestalten. Gute Jugendhilfe heißt letztlich eben auch: Eine starke Verwaltung.

Beratungsschwerpunkt

Organisationsberatung für den öffentlichen Sektor wie unter anderem die Neuausrichtung von Jugendhilfe, Sozialhilfe, Schule und Bildungswesen mit Betrachtung von Organisation, Mitteleinsatz und Stellenausstattungen.

Team

Das Team für Organisationsberatung und Jugend/Soziales besteht neben Peter Jagnow aus Astrid Schrader und Patricia Knabenschuh und wird bei Bedarf um weitere Fachberater erweitert.

Referenzen

Typische Projektfragestellungen wie z.B. "Kreisfreie Stadt evaluiert Angebote der freien Sozial- und Jugendhilfe" oder "Großstadt optimiert Kostensatzverhandlungen" finden Sie in unseren Referenzen.